Wolfgang Kapfhammer, zu „Graz muss in die Höhe wachsen…“

Kommentar von Arch. DI Wolfgang Kapfhammer zum Artikel: “Graz muss in die Höhe wachsen aber richtig” von DI Bernhard Inninger

 

Graz braucht einen groß angelegten städtebaulichen Entwicklungsplan!

Das Hochhaus aus den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, feiert heute wieder fröhliche Urstände! War es damals bereits ein Irrtum, Wohnhochhäuser zu bauen, (das amerikanische Hochhaus wurde  ausschließlich für Büros und die Verwaltung gebaut), so sollten wir heute, aus modischen Gründen, nicht in alte Fehler zurückfallen. Familiengerechtes wohnen ist in einem Hochhaus nicht zu empfehlen, da dies nicht dem menschlichen Maßstab entspricht. Wenn aus dem 15. Stockwerk ein Kind nur mehr als Punkt erkennbar ist und mein Zuruf von ihm nicht gehört werden kann, ist es kein Wunder, dass diese Familien das andere städtebaulich bedenkliche Extrem suchen, das Einfamilienhaus.  Gerade in Graz gibt es aber eine große Anzahl an verdichteten, familiengerechten Wohnsiedlungen, von hoher Qhalität.

Verdichtung in Graz haben viele Architekten seit Jahrzehnten gefordert, aber heute hat man an allen Ecken und Enden der Stadt den Eindruck des Wildwuchses.

Die ähnlich große Stadt Linz schaffte es großteils durch Bebauungs-, Leit-, Sanierungs- und Assanierungspläne Ordnung in das Baugeschehen zu bekommen. Städtebauliche Wettbewerbe über größere Stadtgebiete wurden zu Leitplanungen ausgearbeitet, an denen sich die Bau- und immobilienwirtschaft orientieren konnte. In Graz wurde jedoch jüngst, durch politischen Populismus versäumt, einen beispielhaften Stadtteil bei den Reininghaus Gründen zu realisieren.

Meine Tätigkeit und gute Erfahrung als Vorsitzender im Linzer Gestaltungsbeirat, habe ich Anfang der neunziger Jahre Stadtrat Strobl mitgeteilt. Er wollte einen Beirat auch für die Stadtgestaltung von Graz installieren. Er scheiterte am politischen Widerstand der Grazer Parteien. Es hat 20 Jahre gebraucht um in Graz so einen Beirat zu gründen, der eingereichte Bauten auf ihre Qualität beurteilt. Was wurde alles in diesen 20 Jahren versäumt?!

Obwohl in vergangenen Jahren von der Stadtplanung immer wieder Leitpläne ausgearbeitet wurden, landeten diese in den Schubladen, da manche Politiker noch immer Planung mit „Planwirtschaft“ verwechseln. So gibt man der „Freien Wirtschaft“ freies Geleit für das Chaos.

Die Verdichtung in den Wohngebieten von St. Peter führte zum täglichen Verkehrskollaps. In vielen Bereichen der ehemaligen Gartenstadt Geidorf verschwindet immer mehr Grün, die Lunge unserer schlecht ventilierten Stadt. Diesen Stadtgebieten entlang der Mur will man noch den Bau von Hochhäusern antun, die lawinenartig Verkehr anziehen. Die bestehenden Verkehrswege der Stadt können diesen nicht bewältigen.

Dass nun eine „neue Klimastudie“ herhalten muss, um den Bau von Wohn- Hochhäusern zu forcieren, ist ein starkes Stück. Seit den siebziger Jahren gibt es eine wissenschaftliche Klimastudie der STEK, die damals dasselbe feststellt, wie in ihrem  Artikel beschrieben. Die Winde aus dem Murloch und die Winde aus den nördlichen Schöcklgräben reichen in ihrer Wirkung nur bis zur Innenstadt. Hier durch Hochhäuser eine Düse für das Grazer Feld zu erfinden ist eine nicht nachvollziehbare Wunschvorstellung.   Es ist nachweisbar, dass in den Hochhäusern die nachbarlichen Beziehungen schlecht funktionieren, daher wohnt nur der dort, der sich keine andere Wohnung leisten kann. Das würde bedeuten, sozialen Unsinn weiterhin teuer zu produzieren. Viele recht gute, aber zu teuer gebaute Neubauwohnungen stehen als Anlegerwohnungen leer.

Ich stelledaher an die Stadt Graz folgende Fragen:

1.) Für wen werden die notwendigen Verdichtungen gebaut? Viele Alt und Neubauwohnungen stehen leer, wie wären sie nutzbar?

2.) Sind weitere Neubauten für die Wohnungssuchenden sozial und finanziell verträglich?

3.) Ist die Wohnbaupolitik des Landes noch entsprechend?

4.) Sind Stadtgrund und Grünlanlagen nicht viel zu wertvoll, dass man sie für Spekulationsbauten freigibt?

5.) Wo sind die Masterplanungen, die eine zukünftige Stadtgestaltung mit der entsprechenden Grün- und Verkehrsplanung verbindet?

Bevor die Infrastruktur geplant wird, spricht man schon von verkehrserregenden Hochhäusern!

6.) Warum wird der Architekturbeirat der Stadt nur für Objektplanungen und nicht für die Stadtentwicklung beratend beigezogen?

Die Stadtpolitiker müssten das Interesse aufbringen über ihren eigenen beamteten „Tellerrand“  zu sehen.

7.) Wie kann man die Altstadt- Sachverständigenkommission in eine Entwicklungsplanung einbinden?

Die Stadt Graz braucht einen  groß angelegten Entwicklungsplan, der die Qualität und die „Unverwechselbarkeit“ der international geschätzten Stadt, als Priorität im Gesichtsfeld hat. Mit Teilerkenntnissen aus einer Klimastudie gibt es keine Stadtgestaltung.

 

Arch. D.I. Wolfgang Kapfhammer

Home: www.wolfgang-kapfhammer.at